Der Neujahrsabend kommt und wir sitzen vor dem TV – es folgt die Rede der Bundeskanzlerin und es ist Tradition, dass wir uns um den Fernseher versammeln und lauschen. Die Neujahrsansprache gehören zum Sylvesterabend wie RRaclette und Kartenspielen und Tischfeuerwerke…..

Nur alles andere zieht uns mehr in den Bann!

Was soll eine Neujahrsansprache erreichen?

Mit einem Blick zurück Lust und Laune auf das kommende Jahr zu machen. Positive Impulse aussenden und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Besondere Leistungen zu würdigen und Lob in Aussicht zu stellen. Die Hand ausstrecken und Unterstützung anbieten, wo wir sie vermuten.

Die wichtigste Aufgabe einer Neujahrsansprache ist es jedoch die Zuhörer angemessen zu unterhalten. Angemessen kann hier ganz unterschiedlich ausgelegt werden – je nachdem wer die Rede hält und an wen sich die Redner richten.

Eine Neujahrsansprache ist jedoch immer und das scheint Dr. Merkel jährlich zu ignorieren – eine Festrede. Eine Festrede ist weder Auftakt für einen Wahlkampf noch die Abrechnung mit einzelnen Personen oder Gruppen. Genau diesen Aspekt der Neujahrsansprache hat Dr. Merkel jedoch ignoriert und mit Füßen getreten. Eine der wichtigsten, persönlichsten und weitreichendsten Reden des Jahres funktioniert die Bundeskanzlerin erneut einfach um – aus der Festrede wird eine politische Kampfansage.

Thema verfehlt und damit sechs – setzen!

Wie ist eine Neujahrsansprache zu bewerten?

Mit Respekt, denn es ist eine ungeheure Herausforderung vor Millionen und aber Millionen von Menschen zu sprechen. Natürlich spricht die Kanzlerin nicht „live“ vor so vielen Menschen, aber im Bewusstsein, dass sehr viele Menschen in Deutschland und über all auf der Welt diese eine Rede sehen, hören und bewerten werden.

Dem entsprechend ist auch der Anspruch an die Rede groß. Der Umfang, die Technik, der Ausstrahlungszeitpunkt und so viele weitere Dinge sind zu berücksichtigen. Der Wortlaut der Rede wird Redaktionen und der  Bevölkerung rechtzeitig zur Verfügung gestellt und das Videomaterial aufbereitet und verbreitet.

Eine Menge Arbeit und Aufwand, um diese eine Rede der Bundeskanzlerin Ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern nahe zu bringen.

Die technischen und logistischen Aspekte der Neujahrsansprache scheinen Jahr für Jahr besser zu gelingen. Über die Neujahrsansprache 2014 berichteten die großen Medien bereits Stunden vor der ersten Ausstrahlung über Inhalt, Form und Rezeption der Rede.

Die erste Bewertung der Rede erfolgt durch den Medienapparat und immer seltener durch die erhoffte Zielgruppe – die Bürger Deutschlands.

Die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin erhielt auch 2014 wieder einen Stempel der großen Medien aufgedrückt, bevor der „kleine Mann“ überhaupt reinhören konnte.

Allen voran der Regierungssprecher Steffen Seibert:

„Zusammenhalt ist Grundlage unseres Erfolges.“

Neujahrsansprache 2014

Das ist dann wohl als die Message dieser Rede zu verstehen.

Kudascheff – editor in chief of DW zitiert die FAZ: Angela Merkel: Der Wahlkampf 2017 ist eröffnet

Neujahrsansprache 2014

Genau darin liegt der Hase im Pfeffer – die Neujahrsansprache ist selten ganz unpolitisch – aber sie bietet die Chance persönlich auf die Menschen zu zugehen.

Stattdessen hören wir Allgemeinplätze, die sonst eher in den USA zu finden sind.

Zum einen EUROPA – statt Deutschland . Ich erwarte von unserer deutschen Bundeskanzlerin, dass Sie uns Ihr Volk anspricht und dann die Tür öffnet für Europa und vielleicht die transatlantischen Freunde. Aber hier ist die Reihenfolge und Bewertung heftig in der Schieflage. Neujahrsansprache 2014 

Sollte es ihr Anliegen gewesen sein, Menschen in unserem Land zu erreichen, macht es Sinn und beschreibt dann auch die Zielgerade, wenn Sie sich an die Menschen in Ihrem eigenen Land richtet.

Stattdessen Allgemeinplätze wie „freie  Welt“ und Weichmacher in fast jedem Absatz Ihrer Ansprache.

Die „freie Welt“ ist ein Allgemeinplatz der seit dem Kalten Krieg von US-Amerikanischen Präsidenten heraufbeschworen wurde. Der Präsident der USA wird auch gern als „Leader of the free world“ beschrieben. Ein Allgemeinplatz der keinen Platz in einer Neujahrsanprache der deutschen Bundeskanzlerin zu suchen hat. Damit lässt sie sich auf einen verbalen Machtkampf ein, den sie nicht nötig hat. Andere Metaphern wirkten hier verbindlicher, europäischer und damit auch deutscher. So scheint dieser Begriff eher ein Plagiat zu  sein.

 

Weichmacher spülen die Neujahrsansprache 2014 weich, verwässern die Kraft dieser Rede

Der auffälligste Weichmacher in dieser Rede  – das Wörtchen „wir“. Wer ist denn mit diesem „wir“ gemeint? Wir, in unserer Runde haben uns damit nicht repräsentiert gefühlt und ja wir sind eine Familie Migrationshintergrund – Deutsche, Ungarn, Portugiesen und an diesem Abend Freunde aus Brasilien und Österreich…..

„Zusammenhalt“ – so das erklärte Ziel dieser Rede – wird jedoch mit diesem „wir“ nicht erreicht, denn Dr. Merkel versäumt es dieses „wir“ zu definieren. Das Team, die Mannschaft im Sport ist eine feste Größe – da umreißt sich auch das „wir“ sehr schnell. In dieser Rede misslingt es Dr. Merkel jedoch die Definition des „wir“ zu bebildern.

Aus meiner Sicht liegt das vor allem an weiteren Weichmachern. „Europa hat sich entschlossen…“ mir war nicht bekannt, dass  sich ein Kontinent zu irgend etwas entschließen kann. Vielmehr sind hier wohl die Menschen Europas, bzw. der europäischen Union zu etwas entschlossen. Doch das Bild dieser Menschen bleibt verschwommen und undeutlich.

„Menschen Westafrikas“  – auch hier fehlen Gesichter mit denen wir mitfühlen, mitfiebern und mithoffen können. Ebenso beim gesichtslosen „jemand“, der von einem Kurden erzählte. Dr. Merkel meistert in dieser wie in anderen Neujahrsansprachen gesichtslose Geschichten aufzureihen und ohne Beziehung zueinander da stehen zu lassen.

„Folgen Sie denen nicht“ fasst „Die Welt“ die Neujahrsansprache 2014 zusammen 

welt- folgen Sie denen nicht

Auch hier wieder Weichmacher „denen“. Wem sollen wir nicht folgen? Viel wichtiger scheint mir die Frage jedoch – wem sollen wir Mitbürger denn dann folgen? Wer auf andere zeigt und sagt: So nicht – der ist auch in der Pflicht Alternativen und Optionen aufzuzeigen. An dieser Stelle erwarte ich eine klare eigene Position von der Bundesregierung und namentlich Frau Merkel. Geben Sie mir als geneigte Zuhörerin eine Alternative, fangen Sie mich mit Ihren Ansichten ein, anstatt nur zu predigen so nicht.

Aus rhetorischer Sicht ist es der bequemere Weg zu sagen, so nicht. Steiniger, mühsamer und gleichsam lohnender ist die Anstrengung eigene Alternativen vorzuschlagen. Wichtig ist dabei, dass es mit Leidenschaft vorgetragen, durch eine gemeinsame Ethik und Moral getragen wird und sich logisch nachvollziehen lässt. Die Grundprinzipien der Rhetorik lassen Angela Merkel und Ihre Redenschreiber ganz und gar außer Acht.

Weltpolitische Themen verdrängen  einen „Roten-Faden“

Jede gute Rede lebt von einem „Roten-Faden“ der durch die jeweilige Rede führt. In der Neujahrsansprache 2014 scheinen wahllos weltpolitsche Themen auf einer Perlenkette aufgereiht.

Dabei böten die Ereignissen aus 2014 und die Erinnerung an Ereignisse vor 25 Jahre einen geschmeidigen, spannend und aktuellen Aufhänger für einen „Roten-Faden“. Dr. Merkel selbst in Ihrer Person wäre die Spange, die das hier und jetzt mit dem gestern und morgen verbinden könnte. Doch die Redenschreiber und Dr. Merkel entschieden sich für eine andere Rolle der Rede. Sie politisieren die klassische Festrede und berufen wie einige sagen, den Bundeswahlkampf 2017 ein.

Die Lichtgrenze – als „Roter-Faden“ für die Neujahrsansprache 2014 

Wie sähe wohl die Neujahrsansprache 2014 von Dr. Merkel aus, wenn wir die Lichtgrenze als Leitmotiv für die Neujahrsansprache 2014 genommen hätten?

Bilder im 13×18 Format, als auch bei Facebook und Twitter vor allem jedoch in den Köpfen der Menschen würden sich zeigen und Abzweigungen in die Vergangenheit und Verzweigungen für die Zukunft eröffnen und Brücken in die Gegenwart schlagen.

Die Lichtgrenze als Sinnbild des Zusammenhalts, des Kampfes, der Demonstration, der Verbrüderung, des Netzwerkens, des Lichtes im Dunkeln und des Wunsches nach Freiheit.  Für alle von Frau Merkel angesprochene Themen in Ihrer Neujahrsansprache fallen mir spontan wärmende, unterstützende und verbindende Beispiele ein, um die Hand anzustrecken, aber auch Grenzen aufzuzeigen.

Gerade auf die Themen zu Russland und Ukraine wären Abzweigungen in die Vergangenheit gerade zu ins Auge gesprungen. Aber auch der Anspruch an Demonstrationen, den Zusammenhalt und des Kampfes auf den Strassen ermöglichen  Verzweigungen für aktuelle Bewegungen auf der Straße. Es wäre einfacher einen moralischen Anspruch an politische Demonstrationen auszusprechen,  als das Recht der Vereinigung pauschal abzuwerten, ja da vor zu warnen. Ein Aufruf an die kritische Auseinandersetzung mit Bewegungen und deren Realitätskontrolle wären möglich. Stattdessen wählt Angela Merkel Worte, die selbst ausgrenzen und zeigt mit dem Finger auf andere. Neujahrsansprache 2014 

Rhetorisches Geschickt hört sich eindeutig anders an.

Einzig der Fussball lockt ein Lächeln auf Ihre Lippen

Das unsere Bundeskanzlerin eine begeisterte Anhängerin unsere Fußballnationalmannschaft ist, bezeugt Sie in fast jeder Neujahrsansprache. Schön, dass Ihr „unsere Jungs“ so ans Herz gewachsen sind und die Selfies aus der Kabine haben wohl noch viele vor dem inneren Augen oder auf Flicker. Neujahrsansprache 2014 

Aber auch hier kommt die regulierende Hand gleich wieder zum Vorschein. Angela Merkel wünscht auch den Frauen pflichtbewusst und politisch korrekt alles Gute für die WM2015.  Von Herzen schien das jedoch nicht mehr zu kommen. Wo bleibt darüber hinaus die verbindende Hand für weitere Sportarten und die Vorteile die Sport für das Zusammenhaltsgefühl bewirken kann. Sport verbindet über Hautfarben, Schulabschluss und Parteibücher hinweg.

Wichtige Themen ohne Leidenschaft Neujahrsansprache 2014 

Die Glaubwürdigkeit eines jeden Orators lebt von drei Dingen: Ehtik, Logik und Leidenschaft. Über die ersten zwei lässt sich in dieser Rede streiten, je nachdem aus welchem politischen Lager wir auf diese Neujahrsansprache 2014 schauen. Leidenschaft suchen wir als Zuhörer in dieser Rede jedoch vergebens und damit erschließt sich mir auch die sechs.

Mutter Beimer ist in der Lindenstraße gut aufgehoben und den breiten Busen finden, die die ihn suchen, dort auch. Ist es jedoch zu viel verlangt mehr und ehrliche Leidenschaft von unserer Bundeskanzlerin zu erwarten?Neujahrsansprache 2014 

Leidenschaft ist der Treibstoff jeder guten Reden, hier scheint die Rede ganz ohne Leidenschaft von außen getragen zu werden. Spott, Hass und Verachtung sind die dreckigen Abkömmlinge der Leidenschaft und begleiten die Neujahrsansprachen der Bundeskanzlerin jedes Jahr.

Die schwierige Aufgabe, den richtigen Ton, die richtigen Themen und die verbindliche Darstellung der Rede zusammen zubringen, scheint Angela Merkel auch dieses Jahr nicht zu erreichen. Damit entspricht diese Rede weder dem Anlass, noch den Zuhörern, noch zeigen die Themen sich in anschaulichen und nachvollziehbaren Bildern. Die Rednerin Angela Merkel bleibt auch in der Neujahrsansprache 2014 blass, unpersönlich, missmütig und unmotiviert. Stattdessen hören wir das Ergebnis einer Perlenkette beliebiger Themen in monotoner und gleichgültiger Stimme.

Woraus die Medien hier den Auftakt des Wahlkampfes oder eine Kampfansage an Putin oder die Entlassung der Opposition erkennen – bleibt mir verschlossen. Diese Rede ist farb- und ziellos und reiht sich damit ein, in die Neujahrsansprachen von Angela Merkel.

Was erwarte ich von einer Neujahrsansprache

Gänsehaut-Gefühl, Stolz hier zu leben und Bestätigung, dass „wir“ auf dem richtigen Weg sind. Nichts davon finde ich in den vergangenen Neujahrsansprachen von Angela Merkel .

Rückblick, Alternativen und Brücken beschreiben Werkzeuge, mit denen Redner die Neujahrsansprache gelingen lassen. Persönlich zu werden, ohne Privates auszuplaudern, Verbindungen aufzeigen ohne mit jedem auf Du-und-Du zu stehen, das sind die magischen Eckpunkte einer erfolgreichen Neujahrsansprache. Neujahrsansprache 2014 

Echte Gefühle bei der Rednerin rufen echte Gefühle bei den Zuhörern hervor. In diesem Sinne erntet die Bundeskanzlerin was sie aussäht: Vorwürfe, Anprangerung, Ausgrenzung und Unpersönliches.  Für die nächste Neujahrsansprache sporne ich Frau Merkel an, persönlich zu werden, sich Ihreren Mitbürgerinnen und Mitbürgern als Mensch zu nähern und mit Menschen zu sprechen, die ein Ziel gemeinsam verfolgen. Neujahrsansprache 2014 

Als Team, egal welcher Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Bildungsstand oder politischer Ausrichtung das beste für Deutschland und damit gleichsam für Europa und die Welt anzustreben. Die Demokratie als Grundlage für den Diskurs zu verstehen und zu fördern – mit friedlichen und verbalen Werkzeugen für ein schöneres Leben innerhalb und außerhalb unserer Grenzen zu streiten und sich einzubringen. Neujahrsansprache 2014 

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Redeanalyse - Neujahrsansprache 2014 Bundeskanzlerin Angela Merk

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