Kategorien
Redeanalysen

Obamas Rede – Ein Echo der Jahrzehnte

Viele Erwartungen knüpften viele Menschen an eine Rede und einen Mann – die Rede Barack Obamas vor dem Brandenburger Tor.

Die größte Stärke Obamas ist seine Leidenschaft, die er als Redner an den Tag legt. Leidenschaft stellt die Brücke zu seinen Zuhörern da und ist die Basis für eine persönliche Verbindung zwischen Redner und Zuhörer. Dabei war das Thema seiner Rede fast (immer) egal.

 Machen Sie sich Ihr eigenes Bild

Quelle

hier die Rede als Skript, die gehaltene Rede weicht in Einzelheiten ab

Wo ist diese Leidenschaft?

Hinter verschlossenen Fenstern? Kugelsicheren Autos? Leeren Bürgersteigen? Zentimeterdicken Panzerglasscheiben? Weit gefehlt. Die Leidenschaft steckt in einem abgelesenen Manuskript und vielen Blicken auf dasselbe! Bildquelle

 

Die Formalien dieser Präsidentenreise unterscheiden sich stark von den Besuchen JFKs, Regans oder gar Bill Clintons. Es fehlten der Kontakt zu den Menschen und damit die Leidenschaft Obamas.

 

Obama – im Echo der Jahrzehnte – zeigt einen blassen Schatten seiner Redekraft

 

Bildquelle

Mit einer Ring-Struktur beschwört Obama die Präsenz JFKs herauf und sagt selbst „His pledge of solidarity — “Ich bin ein Berliner” — (applause) — echoes through the ages.“ Solidarität – Verbrüderung der USA und Deutschlands – stellt er in vielen historischen Beispielen da. Damit wird er dem historischen Moment gerecht – kann ihn jedoch nicht leben oder erweitern. Ich vermute, sehr wohl bewusst der Herausforderung, setzt Obama auf seine Persönlichkeit und seine Familie. Obama zeigt die Größe zur Selbstironie in Bezug auf seine Rede und die Abwesenheit von Teenage-Töchtern. Er passt sich und seine Zuhörer an die gnadenlos vom blauen Berliner Himmel brennende Sonne an. Alle Menschen sind sich gleich – jedenfalls alle Männer in ihren weißen Hemden. Auffällig – Frau Merkel kommt der Aufforderung nicht nach – ist sie also nicht unter Freunden? An dieser Stelle frage ich mich, wie der Eindruck wohl auf Obama war?

 

Rhetorisches Kalkül?

 

Anpassen auf die Umgebung und auf das Publikum ist höchste Kunst der Rhetorik

Mit seinen Worten wird Obama bei dieser Rede eher nicht in Erinnerung bleiben, vielleicht jedoch durch seine Gestik und Körpersprache. Die Weiß-Hemden-Riege der deutschen Regierung schwitzen gemeinsam mit Obama unter der Berliner Sonne.

 

Es ist gut und richtig sich auf die Situation der Rede einzulassen – in diesem Fall, den Überfall des Hochsommers für zwei Tage Kaiser Obama-Wetter. Für einen lockeren Kleidungsstil ist Obama aus anderen Situationen bekannt – hier passte es zur heißen Berliner Sonne – aber auch zur Weiß-Hemden-Riege? Kommentare habe ich dazu nicht gefunden….

Bildquelle – Jacke ausziehen
Unter Freunden? Ja unter Freunden darf und muss es weniger steif zu gehen. Wie sieht diese Freundschaft aus? Wer sind die Freunde? Richtige Beziehungspflege hat bei diesem Arbeitsbesuch nicht stattgefunden – dafür war innerhalb  von 25 Stunden kaum Zeit. Vielleicht sprang der Funke zwischen Michelle Obama und Joachim Sauer über – von einer Freundschaft zwischen Obama und Merkel ist jedoch wenig zu spüren oder zu hören.

 

Respekt, Anerkennung aber keine Freundschaft. Dafür sind die Bezüge Obamas zur Kanzlerin zu wenige und zu steif.

Bildquelle Steinbrück im Hemd

Leidenschaft und Persönlichkeit sind bereits im Urlaub

Auch wenn die Urlaubszeit für Obama und Merkel noch einige Tage entfernt ist – die Leidenschaft des Präsidenten und seine Persönlichkeit sind bereits in Urlaub.

Neben all der Abschirmung und dem handverlesenen Publikum kann der Präsident seine größte Waffe – seine Persönlichkeit nicht ins Spiel bringen.

Steife Strukturen und historische Vergleiche zieren die Rede

 

Anstatt diesem Besuch einen innovativen und menschlichen Anstrich zu verpassen beschwört Obama die Vergangenheit herauf. Sogar der „Candy-Bomber“ wird ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt und dient als Musterbeispiel der Solidarität unterdrückter Länder.

 

Geschichtsunterricht im Schweinsgalopp – so fasse ich die vielen Referenzen und Themenanschnitte Obamas zusammen. Die Rede bleibt hinter ihren Erwartungen zurück, weil zu viele Themen in zu kurzer Zeit angerissen werden. Welcher Zuhörer kann sofort die Bezüge herstellen und emotional als auch logisch darauf reagieren.

 

DDR, Berliner Mauer, Stacheldraht, Aufstand 17. Juni, Rosinenbomber, JFK, Atomkraft, Klimawandel, erneuerbare Energien, AIDS, Homosexualität und eine schwuler Bürgermeister Berlin sowie der Christopher Street Day, Irak, Afghanistan, Marshall Plan, NATO, Bildung, Entwicklungsarbeit, Rezession, Menschenrechte, Freiheit, Gleichheit, Frieden puh, diese Liste lässt sich leicht verlängern.

Dabei fehlt eindeutig – das – eine Thema dieser Rede. Zu viel in zu wenig Zeit.

 

Für eine historische Rede zu viel Historie!

 

Obama fordert in seiner Rede, dass Geschichtsschreibung nicht nur in der Vergangenheit passierte, sondern dass unsere Generation Geschichte schreibt – so verlangen es die zukünftigen Generationen. Ihm selbst gelingt es in dieser Rede nicht.

Beschwörung der Hilfe zur Selbsthilfe

 

Gerade der letzte Teil der Rede beschwört Obama Hilfe zur Selbsthilfe herauf. Es scheint fast so, als ob ein US-Bürger verstanden hätte, dass die USA nicht überall und immer als Hilfssherif und Heilsbringer auftauchen kann. Das

 

Aktueller Bezug auf #Prism

 

Natürlich musste Obama Stellung beziehen! Weniger mit Bezug zum 17. Juni, der wohl dem größten Teil der Rede als Aufmacher zugedacht war. Vielmehr geht es um weltweite Anschuldigungen gegen die USA – gemeint ist das Ausspionieren von Internetnutzern. #Prism – unter diesem Schlagwort finden sich viele Anschuldigungen, Vorwürfe und Erklärungsversuche zur systematischen Überwachung von Inhalten im world-wide-web.

Obama beschwichtigt, erklärt und wird doch nicht verstanden.

“Our current programs are bound by the rule of law, and they’re focused on threats to our security — not the communications of ordinary persons.”

 

Es geht also nicht um den Einzelnen, sondern um die Sicherheit und all das innerhalb der Gesetzgebung.

 

Die Rolle des Publikums

 Bildquelle Platzierung der handverlesenen Zuhörer

Bei anderen wichtigen historischen Reden spielt das Publikum die zentrale Rolle. Bei dieser Rede stellt sich jedoch die Frage: Wer ist das Publikum? In meinen Augen nicht die handverlesenen Zaungäste auf dem Pariser Platz.

Am ehesten kommt diese Rolle noch den deutschen Parlamentariern zu und den ausgewählten Wirtschaftsgrößen, die sich auf der Seitentribüne tummelten. Dennoch finden sich nur wenige Bezüge zu genau diesem Publikum.

Die Geste der Freundschaft lädt ein an weiße Westen und Seilschaften zu denken – und hinterlässt bei dieser Rede am ehesten einen bleibenden Eindruck.

Das heimische Publikum nimmt von dieser Rede ebenfalls kaum Notiz – obwohl zumindest Obamas Rede von den großen Nachrichtensendern live in den USA übertragen wird. Zu dieser frühen Stunde zwischen 6 Uhr Parzifik-Zeit und 9 Uhr Ostenküstenzeit, fällt Merkels Redezeit dabei hintenüber –eine beeindruckende Geste von Freundschaft.

Welches Publikum könnte Obama dann im Visier gehabt haben? Vielleicht die Europäer (Klimawandel, Mauerfall), die Afrikaner (Aids und Entwicklungshilfe), die Iraker (Freiheit und Frieden) – hier vielleicht auch die Türken, Nordkoreaner und anderen Krisenherde. Hinzukommen natürlich die Russen – vermutlich sehr überrascht von den Abrüstungsgedanken Obamas und viele, viele, viel zu viele kleinere Zuhörergruppen.

Die Bandbreite der angesprochenen Zuhörer verurteilt die Rede bereits zum Scheitern.

 

5 Gründe warum dieser historische Ort keine historische Rede erlebte

 

In einem Satz ausgedrückt – weniger ist mehr! Weniger Ablesen, weniger Themen, weniger Rückblick, weniger Ausschau – täten dem Ort, der Rede und dem Redner gut.

Bildquelle Obama ablesend vom Skript hinter Panzerglas

  1. technisches Versagen der Teleprompter zwangen Obama zum Ablesen vom Papier und zogen seine Blicke zu oft auf den Boden

  2. Obamas stärkste Waffe – die Leidenschaft war eingesperrt hinter Panzerglas und fand keine Verbindung zu den Menschen

  3. handverlesenes Publikum – welches in der Rede keinen Platz fand

  4. eine Themenvielfalt, die eine Redezeit von mindestens 24 Stunden verlangte; „last minute“ Ergänzungen – die #Prism-Debatte war hier am falschen Ort und definitiv zur falschen Zeit angesetzt

  5. fehlender Fokus auf einen Schwerpunkt

 

5 Tipps für erfolgreiche und einprägsame Präsidentenreden

 

  1. Klare Message formulieren – anstatt vieler kleiner Aussagen

  2. klares Hauptthema benennen und Nebenthemen mit Bedacht auswählen

  3. dem anwesendem Publikum Respektzollen und in die Rede einbeziehen

  4. Konzentration auf das Hier und Jetzt – den Moment leben!

  5. klare Handlungsaufforderung ála „Mr. Gorbachev, tear down this wall

 

 

Im Schatten der Vorgänger

 

Obama kämpfte so sehr darum an diesem Platz eine, seine Rede zu halten. Ich frage mich wie zufrieden er selbst mit seiner Rede ist? Am Brandenburger Tor, gleich ob diesseits oder jenseits – alle Reden stehen im Schatten der Vorgänger.

 

Obama wählt den Weg des geringsten Widerstandes und hielt eine Rede, die auch an vielen anderen Orten gehalten werden. Die Konzentration auf ein Thema, eine Handlung, einen Aufruf wich dem Wunsch es allen, wenn nicht allen, so doch möglichst vielen gerecht zu werden.

 

Mein Fazit

 

Weniger ist mehr. Konzentrationen auf ein Thema ständen Obama und einer Rede am Brandenburger Tor gut zu Gesichte.

 

Frage an Sie werte Leser:

 

[poll id=“14″]

Hinaus in die Welt damit. Danke!

Von Judith Torma

Judith Torma ist Magistra der Rhetorik und arbeitet seit 2003 als Dozentin und Trainerin. Rhetorik kommt von Herzen und geht zu Herzen ist dabei Ihre Credo. Erleben Sie die Rednermacherin live in einem Ihrer live Webinare, denn Reden lernen wir durchs Reden.

>