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Redeanalysen

Ein Buch ist ein Buch! Ein Buch? – Redneranalyse von Wibke Ladwig.

republica in BerlinWibke Ladwig, als charismatische Rednerin auf der re:publica13

 

Ich kam gerade aus einer Session, die mir die Zehennägel kräuseln lies und fragte mich, ob wohl alle Redner auf der Re:publica so anstrengend seien? Aber ich wollte meinen Zeitplan einhalten und da stand nun Stage 7 an.

Vor einigen Wochen hatte ich an einer Blog-Parade teilgenommen: Was machen Sie beruflich…? Initiiert und mit Humor verteidigt, hatte Wibke Ladwig diese Blog-Parade. Also folgte ich ihr noch etwas aufmerksamer auf Twitter und stolperte so über Ihre Ankündigung zur Re:publica.

Die Session, die Rede, die Diskussion beginnt

Der Raum füllte sich eher schneller denn langsam und bald saßen viele junge Menschen in den Gängen auf dem Fußboden, auf Tischen an der Wand, lehnten sich in den großen Fenstern in den Raum oder drängten durch die offene Balkontür in den Raum.

Leises Murmeln, fleißiges Twittern, liebvolle Umarmungen von Weggefährten. Bisher war der Start der Veranstaltung noch nicht so anders als bei anderen Sessions. Allerdings war die Grundstimmung lebendiger, bunter und aufmerksamer.

Schauen wir uns nun die Grundpfeiler für die Redeanalyse an: Rednerin, Thema und Publikum.

Quelle: COMPUTERWOCHE/status/331719432483246080

Die Rednerin Wibke Ladwig

Die Rednerin Wibke Ladwig kam als Vertreterin in die Veranstaltung. Sie war geschickt und doch gewollte vor Ort. Über sich selbst und Ihre Rolle auf der Re:publica sagt Wibke Ladwig: „In den letzten Jahren habe ich mich als Botschafterin Digitaliens in der Buchbranche verstanden. Es hat ja durchaus etwas Amüsantes, dass ich nun auf der Internetkonferenz re:publica als Botschafterin für das Buch und für die Buchbranche im Einsatz war.“(Quelle) In Ihrer ehrenamtlichen Funktion als Leitung der Kommission Digitale Kommunikation im Arbeitskreis für Elektronisches Publizieren im Verlegerausschuss im Börsenverein des deutschen Buchhandels e.V. trat sie nun vor ihr Publikum.

Das Thema: Decoding a book. Was ist Buch?

Bücher und Codes – sind schon immer ein Thema in meinem Leben gewesen, allerdings stellte ich mir etwas ganz anderes unter der Veranstaltung vor. Ich dachte es geht um die Gestaltung von Texten in Büchern – das Decodieren halt. Weit gefehlt! Das Thema war mehr oder weniger die Frage, ob ein digitales Buch immer noch ein Buch sei. Ihr Vortrag, und ich empfehle die Slideshow zu durchblättern, war knackig, unterhaltsam und ikonographisch sehr gut aufgebaut. Sehr schade, dass es keine Ton oder Videoaufzeichnung gibt, das hätte sich sehr gelohnt, weit mehr als einige andere Beiträge auf der Re:publica. Übrigens finden Sie hier viele Sessions von den großen Bühnen und Stages in Bild und Ton.

Das Publikum – bunt gemischt und schwer vorhersehbar

Ich bin überzeugt, dass keine Rednerin oder Redner auf der Re:publica so richtig einschätzen konnte, wer im Publikum sitzen würde. Die Besucher der Re:publica sind so bunt gemischt, wenig analysiert und spiegeln einen bunten Mix der Gesellschaft wider. Wenn ich mir „meine“ Re:publica anschaue, dann waren wir hauptsächlich Einzelkämpferinnen gewesen, gestandene Frauen, die seit vielen Jahren selbständig sind und – das verbindet uns mit der Re:publica, seit vielen Jahren Bloggerinnen.

In diesem speziellen Fall auch Buchliebhaberinnen. Es waren jedoch auch viele junger Männer da, Vertreterinnen von Verlagen – wirklich ein sehr buntes Publikum und vorher kaum zu antizipieren.

Wie gehe ich an die Redeanalyse heran?

Als Rhetorikerin sage ich nicht einfach die Rede war gut oder schlecht. Ich analysiere sie nach bestimmten Kriterien. Das sind zum einen der allgemeine Eindruck, Hintergrundinformationen, Struktur und Aufbau als auch Vortragsformen.

Der allgemeine Eindruck – festigte sich bereits in den ersten Minuten.

 

Während des Vortrages stand für mich der allgemeine Eindruck bereits nach wenigen Minuten fest – sehr gut. Ich erlebte eine hingebungsvolle Rednerin, die sich bemühte das Thema und die Zuhörer zusammen zu bringen. Die Rede entsprach dem Anlass und dem Publikum und dem Thema. Ja die Show, mh Präsentation war inhaltlich, strukturell und ikonographisch gut gemacht.

Am Spannendsten empfand ich die Art der Ironie und des Humors um in die Tiefe des Themas einzutauchen. Es sprach mich als Mensch, als Leserin und digitale Leserin an.

Hintergrundinformationen – und Einstellungen zum Thema.

Ich kam mit einer etwas anderen Erwartung in die Session, mir ging es weniger um das Buch als Form, denn mehr der Gestaltung und war daher überrascht. Die Struktur des Slides und die begleitenden Worte holten mich jedoch sehr schnell ins Boot und so war ich inhaltlich bald dabei.

Dem vollen Raum geschuldet, fehlt mir der innovative Einstieg in die Thematik

Um meine volle Aufmerksamkeit zu erlangen, müssen Rednerinnen und Redner für mich einen innovativen, emotionalen und leidenschaftlichen Einstieg ins Thema finden, mich mit ihrer Begeisterung mitreißen. Die Slideshow führte uns zwar von Themenblock zu Themenblock, allerdings fehlte mir als Zuhörerin der Rote Faden, der die Highlights des Vortrages heraushob und in den richtigen Kontext setzte. Für den gesetzten Zeitrahmen waren es plötzlich zu viele Informationen, zu viele Aspekte, die bedacht werden sollten. Für einen exzellenten Vortrag wünsche ich mir eine klare Stellungnahme. Daher frage ich mich, wofür steht Wibke Ladwig? Ist ein digitales Buch noch immer ein Buch?

Die Frage, ob der Wert eines Buches von seiner physischen Form abhängt, schwebte die ganze Zeit über unseren Köpfen, wurde jedoch nicht offen ausgesprochen. Vor kurzer Zeit erst interviewte Monika Birkner mich (Solo-Unternehmer). Mein Interview finden interessierte Leser sowohl in der gedruckten Ausgabe, die bei mir im Bücherregal steht, als auch im PDF, welches ich mir mit einem Code aus dem Buchrücken heruntergeladen habe. Ist das eine nun weniger Buch als das andere?

In dieser Session hätte ich mir darauf eine Antwort gewünscht.

Struktur und Aufbau bieten noch viel Potential um Zuhörer ins Thema einzubeziehen

Ein fesselnder Einstieg, eine klare Stellungnahme zu Beginn des Vortrages hilft es Zuhörern sich mit dem Thema zu identifizieren oder sich ihm zu stellen. Durch die Slideshow folgten wir dem Thema, die Bilder und Texte und Zitate machte es uns besonders leicht. Allerdings erinnere ich mich nicht an eine Stellungnahme von Frau Ladwig. Aus diesem Grund waren mir die Hauptaspekte des Themas auch nicht präsent und die Überleitungen von Themenkomplex zu Themenkomplex erschlossen sich mir nicht immer.

Frau Ladwig selbst sagte in Ihrem Blog-Beitrag, dass Sie die Hälfte der Zeit für eine Diskussion eingeteilt hatte und das begrüße ich sehr. Um jedoch in eine inhaltliche Diskussion einzusteigen brauchen wir eine Diskussionsgrundlage. Wichtig dafür sind eine gute Zusammenfassung und ein Schlusswort in der Rede, der uns zur Stellungnahme aufruft. Ein „lasst uns darüber Diskutieren“ – hat mich nicht animiert eine Wortmeldung abzugeben.

Die Rede wäre exzellent, mit einem fulminanten Schlusswort, dem ich zustimmen oder an dem ich mich als Zuhörerin reiben könnte.

Der Vortrag selbst lebte von der Vitalität der Rednerin

Ein sympathischer Dialekt, eine farbenfrohe Sprache, der dezente Umgang mit dem Mikrofon und die Gabe einen mit vielen Menschen gefüllten Raum mit einer gut geölten Stimme auszufüllen, verliehen diesem Vortrag eine Qualität, die vielen anderen Rednerinnen und Rednern auf der Re:publica fehlten.

Mehr Wirkung und damit Überzeugungskraft gewinnt die Rednerin, falls Sie beim nächsten Vortrag mit ähnlichen Rahmenbedingungen gezielter Pausen setzt, die Pausen mit Pausen in der Bewegung kombiniert und die Stimme darauf abstimmt. Spielen mit Bewegung, Gestik, Pausengestaltung verleihen den wichtigen Aussagen, die Aufmerksam, die sie verdienen.

Redeanalyse vom Wiebke Ladwig

Fazit der Redeanalyse

Dass dieser Rede ein Fazit fehlt. So gut die Informationen waren, so vital die Rednerin ihr Publikum fesselte, so voll der Raum war, so sehr gezwitschert – ich meine natürlich getwittert wurde; es fehlt ein Fazit für die Diskussionsrunde bzw. den Vortrag selbst. So gehe ich als Hörerin noch immer ohne Meinung zu diesem Thema aus der Veranstaltung. Ist es nun wichtig, dass ein Buch, ein gedrucktes Buch ist oder ist ein rein digital verfügbares Buch gleichwertig?

Unter dem Aspekt eine reine Informationsveranstaltung abzuhalten, dann sage ich – sehr gut gelungen! Unter der Annahme eine Stellungnahme zu erhalten und damit mein eigenes Meinungsbild zu entwickeln, bietet dieser Vortrag noch Potential für mehr Überzeugungskraft.

Klare Ansagen und ein Fazit liefern eine gute Grundlage zur Meinungsbildung, für die Re:publica 2014 erwarte ich mehr davon – von allen Rednerinnen und Bloggern.

 

Decoding a book. Was ist Buch? #rp13 from Wibke Ladwig

Weitere Wortmeldungen zur #RP13 und Wibke Ladwig

http://www.falkhedemann.de/2013/05/10/rp13-ein-pladoyer-fur-das-real-life
http://11punkt.de/unser-erstes-mal-die-republica/
http://www.kristinehonig.de/2013/05/nach-der-republica-2013-und-nun/

Tweets zur Session von Wiebke Ladwig #rp13 Stage 7Tweets zur Session von Wiebke Ladwig #rp13 Stage 7Tweets zur Session von Wiebke Ladwig #rp13 Stage 7Tweets zur Session von Wiebke Ladwig #rp13 Stage 7

 Frage an meine Leser

Brauchen wir gute Rednerinnen und Redner auf der Re:publica 2014 oder reicht es aus, dass die Sessions von guten Bloggern gehalten werden? 

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Hinaus in die Welt damit. Danke!

Von Judith Torma

Judith Torma ist Magistra der Rhetorik und arbeitet seit 2003 als Dozentin und Trainerin. Rhetorik kommt von Herzen und geht zu Herzen ist dabei Ihre Credo. Erleben Sie die Rednermacherin live in einem Ihrer live Webinare, denn Reden lernen wir durchs Reden.

  • Liebe Judith Torma,

    herzlichen Dank für diese Analyse. Außerordentlich spannend und sehr hilfreich! In der Tat hatte ich auf ein Fazit bewusst verzichtet, weil ich die Diskussion über die Session hinaus öffnen wollte. Wie ich im Laufe der re:publica hörte, wurde die Diskussion auch in andere Runden getragen – was ich mir erhofft hatte. Aber nun kommen mir Zweifel, ob ich nicht doch auch noch meine Meinung deutlicher hätte zum Ausdruck bringen sollen. Ein guter und wertvoller Anstoß.

    Fabelhaft. Ich glaube, so genau hat mir noch niemand auf den Mund geschaut :). Was mich noch interessieren würde: Was habe ich denn für einen Dialekt? Schlagen sich die über zehn Jahre Köln durch?

    Herzliche Grüße, Wibke Ladwig

  • Wow welche schnelle Rückmeldung Frau Ladwig!

    Ja in der Tat Ihr Thema war vor und nach der Session in vielen Gespräche präsent – bei uns daheim später auch, weil wir viel digital konsumieren – auch Bücher.

    Dialekt ist vielleicht zu viel gesagt, eher Mundart, Einfärbung der Sprache. Ihre Wortwahl würde ich bei einer Buchhändlerin bzw. Buchnärin, wenn ich dass so sagen darf, nicht erwarten. Dem Publikum entsprach es jedoch und nur darauf kommt es an.

    Was die Diskussion und ein Fazit angeht, nur wenn wir eine These haben, öffnen sich Türen fürs Für und Wider. Die Gruppe war jedoch auch sehr groß, um hier eine richtig große Diskussion zu ermöglichen. Da haben sich Ihre Hoffnungen dann eher erfüllt, als dass es ein oft diskutiertes Thema auf der #rp13 wurde. Danke für Ihr Engagement.

  • Nun hake ich doch nochmal nach: Welche Wortwahl haben Sie erwartet und inwiefern weicht diese von Ihrer Erwartung ab? Vielleicht muss man dazu wissen, dass die re:publica für mich eine Veranstaltung „unter Freunden“ ist, weshalb ich einen freundschaftlichen Ton gewählt habe.

  • Das nachacken ist doch gewollt, nur so entspringt eine Diskussion.

    Für mich ist genau diese Frage der Knackpunkt an der #rp13. Welches Publikum sprechen wir an? Plauderton oder ernsthafter? Für das anwesende Publikum denke ich, hat es gepasst. Meine persönliche Erwartung ging eher in die Richtung – Profi-Talk. Es ist schwer zu beschreiben, denn hier ist die Frage -Klassentreffer der Bloggerszene oder Businessfestival? An diesem Tag war ich mit vielen Selbständigen Frauen unterwegs, hatte mir eher berufsbezogene Themen ausgewählt – da ging meine Erwartung eher in die der Standartsprache.

    Aber genau mit Ihrem „Plauderton“ haben Sie ja den Nerv der Anwesenden getroffen und nur das zählt! Die Frage nach: Was will die Re:publica sein? Wen will sie ansprechen? Genau diese Fragen zeigen doch das Potential der Re:publica und den Anspruch den ich als Besucherin an die Sessions und damit die Blogger / Redner habe.

  • Ah, jetzt verstehe ich das besser. In der Tat, Business-Standardsprache wird man von mir nicht hören. Zum einen entspricht es mir selbst nicht und damit behinderte ich mich selbst bei Vorträgen oder in Seminaren. Zum anderen läd ein „Plauderton“ und eine leicht verständliche Wortwahl die Zuhörer meiner Erfahrung nach eher ein, sich selbst an der anschließenden Diskussion zu beteiligen. Zumal wenn es um ein so alltäglichen Gegenstand wie das Buch geht, zu dem eigentlich jeder etwas beizutragen hätte.

    Mit dem Verzicht auf „Profi-Talk“ büße ich vielleicht ein wenig an Experten-Aura ein, aber mir ist der Aufbau einer lebendigen Verbindung zum Publikum wichtiger. Plauderton bedeutet nicht, dass der Gegenstand weniger ernsthaft betrachtet werden kann. Darin liegt für mich eine Stärke des Social Web.

    Die re:publica ist meines Erachtens nichts weiter als Social Web jenseits Digitaliens. Ungeachtet von Hierarchie- und formalen Stufen können Themen gemeinsam beleuchtet werden. Es ist weniger ein sachlicher, als vielmehr ein kultureller Unterschied.

  • Plauderton ist gut, und ja oft unterstützt er die Interaktion. Ihren Expertenstatus mache ich an anderen Dingen fest – das ist eher die Vehemmenz wie Sie für Dinge eintreten.

    Es freut mich, dass Sie bei der Diskussion dabei sind, denn Sie bringen mich dazu noch genauer zu hinterfragen warum ist mir die Wortwahl aufgefallen, warum beschreib ich es als Dialekt, Mundart.

    Als Rhetorikerin schaue ich immer darauf welchen Standpunkt nimmt die Rednerin ein – und das habe ich nicht heraushören können. Alles andere hat gestimmt, war schlüssig, nur die Frage wofür steht Wibke Ladwig nun, nicht? Digitale Bücher sind auch Bücher? Dieses ausgleichende, weiche sprechen in diesem Punkt veranlast mich Ihre Sprachwahl, Wortwahl genauer zu hinterfragen. Das spiegelt sich dann in der Sprache wieder, die für mich weich, fragend und damit sehr neutral daher kam.

    Ist dieRe:publica Social Web von Angesicht zu angesicht? Warum erhalten dann aber einige so eine große Vorreiterrolle und dürfen Reden, Vorträge, Workshops, Diskussionsrunden anführen? Wer setzt die Filter, wer reguliert? Das wird doch von Menschen gemacht, in dem Fall den Initiatoren, Sponsoren etc. Damit gibt es ganz klare Favoriten, wer zieht mehr Besucher an, dass wir mehr Geld einnehmen? Welche Themen lassen die Presse und das Fernsehen aufhören. Wenn es das Social Web widerspiegelt, sollte es dann nicht eher in Form von Barcamps abgehalten werden? Spannende Frage, die Sie da aufwerfen!

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